
Das neue Dreamteam für gesunde Ernährung
Anna Butterbrod
Gleich nach dem Kick-off des Projekts ist klar, dass diese zwei ganz auf einer Linie liegen. Fußballstar Thomas Müller und Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl haben das selbe Ziel: Sie wollen beide dafür sorgen, dass möglichst viele Menschen – am besten schon von kleinauf – erfahren, wie gesunde Ernährung wirklich funktioniert.
Bei gemeinsamen Gesprächen tauchen sie begeistert ins Thema ein und fragen sich gegenseitig aus. Der Nationalspieler weiß genau, was er essen muss, um sich rundum fit zu fühlen. Um konzentriert zu sein und alles geben zu können, wenn‘s drauf ankommt – inklusive Nachspielzeit. Dr. Matthias Riedl betreut Familien und Olympioniken. Er bringt den wissenschaftlichen Background mit und verrät, wie man durchs richtige Essen und Trinken nicht nur Übergewicht entgegenwirkt, sondern auch schlechter Laune.
Ihre Erfahrungen und Tipps sind im Kochbuch „Kochen für kleine & große Champions“ (ZS Verlag), an dem ich als Autorin mitarbeiten durfte, gebündelt. Eine tolle Inspiration und Motivation für die ganze Familie!
Im Interview, das ich mit Thomas und Matthias bei einem unserer Treffen geführt habe, erklären sie, warum ihnen dieses Buchprojekt so am Herzen liegt.
Was macht Euch zum idealen Team für dieses Buch?
Matthias: Für uns beide spielt gesunde Ernährung auf ganz unterschiedliche Weise eine große Rolle. Ich sehe viele Menschen, die sich krank gegessen haben, das ist mein Alltag. Thomas kommt von der Sport-Ebene. Er hat viel Know-how und ein gutes Gefühl dafür, welche Lebensmittel ihm guttun und welche nicht.
Thomas: Eine gesunde Ernährung ist ein wichtiger Grund für mich, dauerhaft im Sport gesund und erfolgreich zu sein. In den letzten Jahren habe ich mich immer mehr mit dem Thema Ernährung beschäftigt. Ich bin nicht mit einem großen Wissen darüber geboren worden. Aber ich hatte den Vorteil, dass ich es mir durch mehrere Experten an meiner Seite ein wenig aneignen konnte.
Matthias: Im Bereich Ernährung fehlt es uns an guten Vorbildern. Ich finde es toll, dass Thomas gerade als Mann zeigt, wie wichtig ihm Ernährung ist. 90 Prozent derjenigen, die in diesem Feld arbeiten, sind Frauen. Ernährung ist etwas Weibliches. Aber vielleicht ändert sich das ja langsam …
Warum ist es höchste Zeit, dass Familien sich gesünder ernähren?
Matthias: Weil 25 bis 30 Prozent der Kinder in Deutschland zu dick sind. Übergewicht wirkt sich auf die Gesundheit ähnlich dramatisch aus wie Rauchen. In der Jugend leiden bis zu einem Prozent der übergewichtigen Kinder an Diabetes Typ 2 oder haben mit erhöhten Blutzuckerwerten eine Vorstufe dazu. Mit der Zeit kann sich auch eine erhöhte Gefahr für Depressionen und Bluthochdruck entwickeln. Durch diese Entwicklung erwartet uns neben den traurigen persönlichen Schicksalen eine ökonomische Katastrophe: Denn übergewichtige Kinder sind später einmal nicht so arbeits- und leistungsfähig, wie sie sein könnten. Wenn sie überhaupt das Rentenalter erreichen, werden sie mit höherer Wahrscheinlichkeit zu diesem Zeitpunkt schwer krank sein. 90 Prozent der Menschen, die wir Mediziner in unseren Praxen sehen, sind durch Verhalten krank geworden. Die Ernährung ist dabei der wichtigste Krankheitsgrund geworden. Das zu verhindern, hat jeder selbst in der Hand.
Warum greifen so viele Menschen zu Lebensmitteln, die ihnen nicht guttun?
Matthias: Sie sind vielleicht überfordert mit Familie, Beruf und was sonst noch alles ansteht im Alltag. Und dann wird zu schnellen Lösungen gegriffen, sprich: zu Fertigprodukten. Aber Fertigprodukte verkürzen nachweisbar unser Leben. Das Sterberisiko steigt pro Fertiggericht am Tag – unter anderem wegen drohender Arterienverkalkung, die diese Produkte fördern können. Wir setzen mit unserem Buch an diesem Punkt an, bieten schnelle Rezepte und einfache Schritte für den Einstieg in eine gesunde Ernährung.
Thomas: Das Problem ist, dass die Auswirkungen einer ungesunden Ernährung meistens nicht direkt sichtbar sind. Die kommen manchmal erst nach zehn oder zwanzig Jahren – und dann kannst du nicht mehr zuordnen, dass es an der falschen Ernährung lag. Bewusstsein und Wissen spielen hierbei eine große Rolle. Deshalb wollen wir mit diesem Buch einen ersten Schritt machen, um das Thema anzupacken.

Ist gesunde Ernährung teuer?
Matthias: Nicht, wenn man saisonal und regional kauft. Ein Kohlkopf kostet in der Saison 99 Cent, da kann man irre viel draus machen. Viele denken immer, sie müssten irgendwas Exotisches kaufen – ausländisches Superfood, das zehnmal so teuer ist wie hiesige Lebensmittel. Leinsamen ist zum Beispiel genauso gut wie Chiasamen, die oft trotz Bio-Label viele Schadstoffe in sich tragen. Das größte Problem ist aber, dass die Menschen die Menge an Fleisch, die sie für ihren Eiweißbedarf brauchen, überschätzen. Sie essen viel mehr davon, als gesund ist. Wir brauchen mehr pflanzliches Eiweiß für unsere Gesundheit und viel mehr Gemüse, Pilze, Samen oder Nüsse.
Thomas: Aber wenn du zum Beispiel sechs Köpfe füttern musst, bist du auch froh, wenn du was in der Pfanne hast und es allen schmeckt. Wenn du da sagst: „Jetzt gibt‘s gedämpften Kohlkopf!“ könnte es schwierig werden. Fürs Buch haben wir Gerichte zusammengestellt, bei denen alle auf ihre Kosten kommen. Unsere Linsen-Bolognese kommt mit einfachen, günstigen Zutaten aus und schmeckt hervorragend. Das ist ein günstiges aber sehr gesundes Gericht. Uns ist wichtig zu vermitteln, dass Ernährung das beste Investment in die eigene Zukunft ist – zeitlich und finanziell. An sich sollte man bei der Ernährung so wenig Abstriche wie möglich machen, wenn man sich selbst viel wert ist.
Esst Ihr nach Lust und Laune oder eher strategisch?
Matthias: Ich esse, was mir schmeckt, aber ich behalte immer meine Gemüse-, Zucker- und Eiweißmenge im Blick. Berufskrankheit, da kann ich gar nicht anders. Und hochverarbeitete Produkte esse ich so gut wie nie. Wir werden mit Zucker, Geschmacksstoffen und Aromen geködert und hängen dann an der langen Leine der Lebensmittelindustrie. Das lasse ich nicht zu.
Thomas: Die Lust und Gewohnheiten wird man nicht so leicht los. Aber man sollte sie schlauer dosieren. Das Mittagessen im Job oder einen schneller Snack zwischendurch kann man perfekt nutzen, um die Sinnhaftigkeit und bewusste, gesunde Ernährung in den Vordergrund zu rücken. Dann kann man zum Beispiel auch mal bei einem Abend mit Freunden etwas über die Stränge schlagen. Strategie ist somit ein ganz wichtiges Stilmittel, um Lust, Laune und Gesundheit zu kombinieren.
Matthias: Mir geht‘s nach einer Mahlzeit besser, wenn ich genug Gemüse auf dem Teller hatte. Auch der Zucker im Nachtisch bekommt mir nicht wirklich. Man kann ein Gefühl dafür entwickeln, wie es einem nach dem Konsum von bestimmten Lebensmitteln geht und dann öfter danach handeln.

Was brauchen wir, um uns gut zu fühlen und fit zu bleiben?
Matthias: Abwechslung ist wichtig. Als Faustregel gilt: Wir sollten 25 verschiedene pflanzliche Lebensmittel – also Gemüse, Obst, Kräuter und Nüsse – pro Woche zu uns nehmen. Wer das macht, deckt mit großer Wahrscheinlichkeit seinen Bedarf an Nährstoffen ab. Dadurch vermeidet man auch einen Ballaststoffmangel, unter dem die meisten Deutschen leiden. Die kommen nicht auf 30 g am Tag. Naturvölker erreichen 40 bis 50 g am Tag und das ist einer der Gründe dafür, dass sie so gesund sind. Amerikaner schaffen 11 g, wir liegen so bei 20. Darum haben wir so viele Zivilisationskrankheiten. Neben Ballaststoffen ist auch Eiweiß wichtig. Wir essen so lange, bis wir unseren Eiweißbedarf gedeckt haben. Darum machen auch fünf Tüten Chips nicht satt.
Und was ist, wenn ein Kind partout kein Gemüse mag?
Thomas: Geschickt unterjubeln könnte hier eine gute Variante sein. Auch dazu verraten wir im Buch eine ganze Menge Tricks.
Matthias: Du kannst zum Beispiel unter den Kartoffelstampf ein bisschen fein püriertes Gemüse mischen, das merkt kein Kind. Wichtig ist auch, die Kleinen miteinzubeziehen in der Küche. Dass sie ausprobieren, reinbeißen und auch mal mit den Lebensmitteln rummanschen können. Durch ihre Mitwirkung bekommt das Selbstgekochte einen ganz anderen Wert für sie. Und das sollte alles so früh wie möglich beginnen.
Die beiden haben auch noch eine Podcast-Folge aufgenommen, die man hören oder sich auf YouTube angucken kann: