Sabine Bingenheimer-Zimmermann fing 2019 an zu recherchieren, woher die Zutaten für Fertigprodukte kommen, die sie kaufte | Foto: Regionique

„Wir können nicht Zutaten quer über den Globus karren, wenn die auch vor der Haustür wachsen“

Autorin

Anna Butterbrod

Gesunde Ernährung – für Sabine Bingenheimer-Zimmermann, 41, bedeutet das vor allem bewusste Ernährung. Sie sagt: „Heutzutage wissen wir oft gar nicht mehr, was da überhaupt auf dem Teller landet. Viele Hersteller weisen nicht aus, woher die Zutaten für ihre verarbeiteten Produkte kommen und welche Wege sie zurückgelegt haben.“

Weil sie das störte, fing die zweifache Mutter im Sommer 2019 an zu recherchieren. Und fand heraus: 2000 Kilometer legen die Rosinen aus Griechenland für ihr Lieblings-Müsli zurück, 11 000 Kilometer haben die Chiasamen aus Mexiko auf dem Buckel. Die Hähnchenbrust aus dem Tiefkühl-Curry stammte aus Thailand, der Brokkoli aus Ecuador. „Eine Kilometer- und CO2-Bilanz, mit der ich nicht länger leben wollte“, sagt die Schwarzwälderin. „Mein Bauch sagte mir, dass es nicht mehr richtig ist, Zutaten quer über den Globus zu karren, wenn die auch vor der Haustür wachsen.“ Sie wünschte sich mehr Nähe und Transparenz. Doch die fand sie im Supermarktregal nicht.

„Das geht nicht“ war für sie kein Hinderungsgrund

So entschied Sabine Bingenheimer-Zimmermann, die seit 18 Jahren in der Lebensmittelbranche arbeitet, ihr eigenes Lebenmittel-Label zu gründen – mit Produkten nur aus deutschen Zutaten. „Ich begann mit Müsli, weil ich dachte, das sei am einfachsten“, erklärt sie – und lag damit falsch. „Die Mühlen in der Umgebung benutzten auch den Hafer aus aller Welt. Viele Zutaten gab‘s in der Gegend gar nicht! Ich suchte deutschlandweit, doch mehrere große Hersteller prophezeiten mir: ,Müsli nur aus deutschen Zutaten? Das schaffen Sie nie!‘ Aber Sätze wie ,Das geht nicht’ oder ,Das haben wir schon immer so gemacht’ sind für mich kein Argument. Ich traf mich mit Rohstoffproduzenten, Brancheninsidern und half sogar bei der Ernte, um Geschäftspartner zu finden, die nach meinen Vorgaben und mit meinem Qualitätsanspruch produzieren können.“

Rosinen aus Griechenland, Chiasamen aus Mexiko: Die Zutaten für Fertigmüslis haben oft Tausende von Kilometern zurückgelegt
| Foto: Freepik

CO2 sparen mit Birnen vom Bodensee

Es klappte: Im Juli 2020 ging der Online-Shop von „Regionique“ an den Start. Neben Nudeln sind dort Flocken und Müslis zu kaufen, die ausschließlich in Deutschland produziert werden und komplett aus hiesigen Zutaten bestehen. Eine echte Ausnahme – und bei Bircher- und Früchte-Müsli sogar eine weltweite Food-Premiere! Die Heidelbeeren stammen unter anderem aus der Lüneburger Heide, Äpfel und Birnen vom Bodensee. „Im Durchschnitt reisen die Zutaten eines herkömmlichen Müslis ungefähr 40 000 Kilometer, bis es im Regal landet“, erklärt Sabine Bingenheimer-Zimmermann. „Wir sind bei 2000 bis 5000 Kilometern.“ Der zusätzliche Clou: Käufer können über einen QR-Code auf der Packung online checken, wieviele Kilometer ihr Produkt zurückgelegt hat oder an welchem Tag die Eier für ihre Spätzle gelegt wurden.

Burger gibt’s nur noch in der Veggie-Version

Das Ziel der Unternehmerin: Dass wir alle wieder mehr Nähe zum Essen entwickeln. Dieses Konzept setzt sie auch mit ihren Kindern (8 und 10) um. „Wir essen inzwischen zum Wohl der Tiere kaum noch Fleisch und setzen auf regionale Produkte. Mein Sohn vermisst seine Salami, aber da muss er durch. Dafür ist er ein Fan meiner Veggie-Burger mit Dinkelflocken!“, sagt sie. Beim Kochen lässt sie die zwei so oft wie möglich mitmachen. „Sie schnippeln Kräuter und Gemüse, das macht ihnen Spaß. Gekochtes Gemüse mögen beide nicht, dann kriegen sie halt rohes. Blumenkohl habe ich einfach mal angebraten, statt ihn zu kochen. So kam er gut an. Es lohnt sich also, experimentierfreudig zu sein!“

Sabines 3 Top-Tipps für eine Ernährung mit wenigen Kilometern:

Tipp 1: Bei Obst und Gemüse auf die Herkunft achten

Es gibt in unseren Supermärkten Zwiebeln aus der Region, aber auch aus Ägypten oder aus Neuseeland. Deshalb bei Obst und Gemüse immer auf das Herkunftsland achten.

Wenn ihr die Wahl habt, sucht beim Kauf von Obst und Gemüse die Sorten aus, die den kürzesten Transportweg hinter sich haben | Foto: Freepik

Tipp 2: Nach Siegeln Ausschau halten

Bei Produkten, die aufgrund der Zutaten bereits eine weite Reise hinter sich haben, wie zum Beispiel Schokolade, unbedingt auf ein Siegel wie „Fairtrade“ achten. „Bio“ sollte hier auf jeden Fall als Mindeststandard auf der Verpackung stehen.

Tipp 3: Finger weg bei null Aufklärung

Der Unternehmenssitz sagt leider gar nichts darüber aus, woher die Zutaten für ein Produkt kommen. Deshalb im Zweifel immer nachfragen, beim Supermarktpersonal oder beim Hersteller direkt. Weiß der Hersteller genau, woher seine Zutaten kommen, schreibt er es auch auf seine Verpackung. Weiß er es nicht oder möchte er es verschleiern, nennt er keine Quelle. Dann besser die Finger weglassen und ein anderes Produkt wählen!

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