
Weg mit Softgetränk- und Süßigkeiten-Automaten in Schulen!
Katrin Hrubesch
In der Grundschule war bei uns noch alles gut. Als die Lehrerin damals den ersten Elternabend mit ein paar Worten zum „gesunden Schulfrühstück“ abschloss, habe ich innerlich mit den Augen gerollt. Als wenn wir das nicht alles schon wüssten! Damals hielten sich tatsächlich noch alle daran: keine Nutellabrote, Wasser aus mitgebrachten Flaschen und so weiter.
Doch seit meine Töchter auf weiterführende Schulen gehen, weht ein ganz anderer Wind: Schokoriegel, XXL-Cookies und Softgetränke sind dort jederzeit verfügbar – aus dem Selbstbedienungsautomaten in der Aula. Der Aufkleber darunter schießt den Vogel ab: „Schulversorgung – gesundes Schulfrühstück“ steht darauf. Ich vermute, dass auch der Hausmeister, der den Pausenkiosk betreibt, längst kapiert hat: Je mehr Zucker, desto lauter klingelt die Kasse.
Spätestens als eine meiner Töchter mir erzählt, dass ein übergewichtiger Junge aus ihrer Klasse sich jeden Tag zwei Eistee hole, ist das Thema bei mir angekommen.
Wie kann das sein?
Ist das Einkommen des Hausmeisters wichtiger als die Gesundheit unserer Kinder?
Ich frage ein paar Freundinnen, wie das mit den Softdrinks an der Schule ihrer Kinder denn so sei. Überall die gleiche Reaktion: „Ja, schlimm, bei uns auch – viel Limonade und Süßigkeiten!“ Doch kaum eine tut etwas dagegen. Als ich vollmundig verkünde, dass ich das unbedingt ändern möchte, meint eine Freundin: „Katrin, es ist ein Irrtum zu glauben, dass alle das genauso sehen – auch, wenn die Fakten für dich sprechen.“ Sie selbst hat in der Kita versucht, die wöchentlich mehrmals servierten Fertigpommes vom Speiseplan zu bekommen. Fehlanzeige! Keiner der Eltern fand das befremdlich.
Und wie recht sie auch in meinem Fall behalten sollte. Als ich das Thema beim ersten Elternstammtisch anspreche, blicken mich alle irritiert an. Eine Mutter meint: „Der Hausmeister will doch auch etwas verdienen“ und eine andere: „Sonst trinkt meine Tochter ja den ganzen Tag nichts.“
Echt jetzt??
Doch, ich schätze schon, dass die Tochter etwas trinken würde. Und zwar genau dann, wenn sie Durst hat. Und ist das Einkommen des Hausmeisters tatsächlich wichtiger als die Gesundheit unserer Kinder?
Die Schulleitung schweigt zu Snacks und süßen Getränken
Nach dem Elternstammtisch fühle ich mich allein auf weiter Flur. Ich halte aber weiter an meinem Ziel fest: Weg mit den Softgetränk- und Süßigkeiten-Automaten aus der Schule!
Schließlich ist es längst kein Geheimnis mehr, dass sie die größten Dick- und Krankmacher sind. Viele Kinder können einfach nicht widerstehen, daher bin ich der Überzeugung, dass wir Erwachsenen verantwortlich handeln müssen.
Apropos Verantwortung. Was sagt eigentlich die Schulleitung dazu? Beherzt reiche ich mein Anliegen für den nächsten Elternsprecher-Abend mit dem Direktor ein. Beim Zoom-Termin taucht mein Thema bis zur Unkenntlichkeit verharmlost auf der Agenda auf. Live dabei, melde ich mich zu Wort. Wieder irritierte Blicke. Dann: „Die Kinder wollen das!“ Ach so, wenn die Kinder das wollen, is klar.
Um es abzukürzen: Ich werde an die Schülermitverwaltung verwiesen, bekomme dort aber nie einen Termin. Und nachdem ich die Schulleitung dann schriftlich um ein offizielles Statement für diesen Beitrag bitte: keine Antwort. Als ich mir kurz vor den Sommerferien von diesem Automaten selbst ein Bild machen will, kommt zufällig eine Lehrerin vorbei und fragt, ob sie mir weiterhelfen könne. Ich erkläre kurz, dass ich mir die Getränkesorten mal ansehen will. Und sie meint spontan: „Im Grunde ruinieren wir damit die Gesundheit unserer Kinder.“

Zucker überall – wo ist denn da die Haltung?
So ist es. Und ich frage mich: Wo ist denn da die Haltung? Sind wir alle so im Stress, dass wir alles Durchwinken, was uns so über den Weg läuft? Sollte nicht gerade die Schule mit gutem Beispiel vorangehen? Wie absurd ist das bitte, wenn im Unterricht die Lebensmittel-Pyramide durchgenommen wird und dann die Essens- und Getränkeversorgung in der Pause eine Zuckerparty feiert?
An einer bayerischen Waldorfschule mit Ganztag finde ich das, was ich bisher so schmerzlich vermisse: ein sinnvolles Konzept. Auf Nachfrage erfahre ich: Im Pausenverkauf gibt es neben Butterbrezn und Käsesemmeln zwar auch Saftschorle (ohne Zuckerzusätze), aber zum Mittagessen ausschließlich Leitungswasser. Ein Getränkeautomat ist nicht vorhanden. Alle Kinder bekommen ein vollwertiges Mittagessen – 100 Prozent bio und vegetarisch, dazu eine Salattheke mit Rohkost. Einmal die Woche gibt es wahlweise Fleisch. Die Nachspeisen bereitet der Koch vor Ort selbst zu und reduziert die Zuckermenge stark. Seine Desserts bietet er aber auch nur zwei Mal pro Woche an, ansonsten gibt es Obst. Das Thema Übergewicht betreffe an seiner Schule weniger als ein Prozent der Kinder, erklärt mir der Schulkoch.
Es geht also, wenn man nur will …
Die Politik setzt auf Ratschläge statt ein offizielles Verbot
Ich frage bei der Politik nach. Welche Haltung hat die hierzu? Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erklärt auf meine Anfrage: „In den Bayerischen Leitlinien Schulverpflegung empfehlen wir Wasser und ungesüßten Früchte- und Kräutertee in der Schul- und auch in der Pausen- bzw. Automatenverpflegung. Die konkrete Ausgestaltung der Mittags- und Pausenverpflegung liegt in der Verantwortung der einzelnen Schulträger und der Schule.“
Doch was, wenn die Schulen das nicht ordentlich umsetzen? Kann man Cola, Limo und Co. nicht an Schulen verbieten? Ich hake nach: „Haben Sie dazu vielleicht etwas geplant?“ Die Antwort vom Münchner Referat für Bildung und Sport: „Von politischer Seite (Stadtrat) wurden noch keine Qualitätsvorgaben und Richtlinien per Beschluss festgeschrieben.“
Das ist ja das Problem! Frage ich sicherheitshalber nochmal bei der SPD nach, die in München vorgibt, was die Referate umsetzen. Kein Rückruf.
Ich fasse also zusammen: Leitlinien und umfassende Informationen zu gesunder Ernährung an Schulen gibt es von politischer Seite ausreichend. Gesetzliche Vorgaben? Nein.

Einen Etappensieg erreiche ich dann doch noch für die Kinder
Ach ja, einen kleinen Etappensieg konnte ich kürzlich doch noch verbuchen: Eine meiner Töchter hat letztes Jahr die Schule gewechselt. Und als ich die Direktorin vor ein paar Wochen auf den dortigen Getränke- und Schokoriegel-Automaten ansprach, hielt sie sofort inne und meinte: „Sie haben recht, das nehmen wir im neuen Schuljahr gleich auf die Agenda. Und wenn wir keine gesunde Alternative finden, kann das Ding von mir aus weg.“
Na bitte. Geht doch. Es ist immerhin ein Anfang.
Ich mache ganz sicher weiter, Stück für Stück. Und ich hoffe, dass ich dich, liebe Leserin und lieber Leser, liebe Mama und lieber Papa, für das Thema ein bisschen sensibilisieren konnte. Wenn du schon dein eigenes Kind nicht gefährdet siehst, dann tu es für die Kinder, denen es gesundheitlich schadet, wenn sie sich jederzeit einen Eistee ziehen können. Ich denke, wenn wir gesamtgesellschaftlich ein Auge darauf haben und auch mal aufmucken, dann bekommen wir das hin!